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Die Schule
 

Meine Schule war für mich einmal sozusagen schlicht meine Welt. Ich habe mich mit vollem Engagement für sie eingesetzt. Als ich dort anfing, hatten wir fünf Unterrichtsstunden weniger als an der Tagesschule, also den "Abendschulbonus". Während dieser Zeit habe ich eine Theatergruppe ins Leben gerufen, die dazu diente, eine würdige Abschlußfeier für unsere H/R-Absolventen zu finanzieren, die bis dato immer nur im Klassenverband stattfand - ein Umstand, der den Leistungen unserer Schüler nicht gerecht wurde, dachte ich. Ich habe eine Schachgruppe gegründet, und ich habe Nachhilfe gegeben. Und all das mit wirklich großem Erfolg und eigenem Einsatz, ohne dafür bezahlt zu werden (daran dachte ich überhaupt nicht, ich habe es für meine Schüler getan). Es war eine wirklich kreative und entspannte Arbeit für alle - Schüler wie auch Lehrer, und die Erfolge waren erklecklich.

Dann kam der Rechnungshof, bestimmte, daß es angeblich Verschwendung von Arbeitszeit wäre, und so bekamen wir die gleichen Zeiten wie die Kollegen an der Tagesschule. Da wir an der Abendschule allerdings nur insgesamt vier mal fünf und einmal vier (am Freitag) Stunden zur Verfügung hatten, war die Konsequenz, sogenannte "Studienstunden" einzuführen, Stunden also, in denen wir zwei Klassen gleichzeitig betreuen mußten, wobei die eine ohne Lehrer arbeitete, der Lehrer aber die Anwesenheit prüfen und das Ergebnis am Ende der Stunde einholen mußte. Eine Alternative wäre gewesen, zwei Stunden zusätzlich an einer Tagesschule abzudienen - was natürlich ein totaler Irrsinn den Tagesschülern gegenüber gewesen wäre. So blieb es also bei den Studienstunden...

Im Laufe der Zeit zeigte es sich, daß diese Regelung nur dem Schein nach außen diente - die Schüler gingen häufig in die Caféteria und entspannten sich (was natürlich auch verständlich ist nach einem langen Arbeitstag und der Schule am Abend obendrauf), und die Lehrer  hatten natürlich kaum Zeit, in der kargen Fünf-Minuten-Pause die Ergebnisse einzusammeln, was obendrein beinhaltete, diese Sachen auch am nächsten Tag zu lesen und zu bewerten. Statt unserer Ermäßigung wurde uns zugestanden, "ungünstige Arbeitszeiten" aufzuschreiben, für die wir dann eine lächerlich geringe Vergütung bekamen. Das ist bis heute so. Zuerst hat uns die Schulleitung, als sie noch für die Kollegen und nicht nur ausschließlich für die Schulbehörde da war,  netterweise diese Zusammenstellung gemacht, die wir dann nach Prüfung nur noch unterschrieben haben. Mittlerweile ist es so, daß wir das selbst machen dürfen - für jeden einzelnen Tag in jedem einzelnen Monat. Und das wird erst nach Prüfung durch die Schulleitung abgeschickt (Ich frage mich ernsthaft, wo da der Unterschied, die Arbeitsersparnis ist!). Seither habe ich nichts eingereicht und wahrscheinlich mehr als 1000 Euro "in den Sand gesetzt" - ist das falscher Stolz? Ich weiß es nicht, ich hatte immer das Vertrauen darin, daß die Arbeit, die man geleistet hat, auch anerkannt wird. Das ist offenbar nicht der Fall. Man muß als Bittsteller auftreten, was mir total widerstrebt.

Das Mißtrauen unserem Beruf gegenüber wächst fast exponentionell.. Seit einiger Zeit müssen wir ohne jegliche finanzielle Erstattung Fortbildungsnachweise über 30 Stunden führen, was zum einen daran liegt, daß ein ehemalger Landesschulrat sich dreimal irrig über die Anzahl der Lehrer in Hamburg im Senat äußerte, deswegen versetzt worden ist und die Leitung des Institutes für Lehrerfortbildung übertragen bekam. Damit dieser Mensch nicht untätig herumsitzt und sein Geld auch verdient, wurde die Pflichtfortbildung für alle Hamburger Lehrer eingeführt. Zum anderen geht man offenbar ernsthaft davon aus, daß sich ein Lehrer sonst nicht fortbilden würde - ein Bild, das wir unserem Altkanzler und mittlerweile noch mehreren Politikern zu verdanken haben, die möglicherweise schlechte Erfahrungen mit ihrer eigenen Schulzeit hatten und sich jetzt von einem hohen Roß aus kleinlich persönlich rächen wollen.

Ich habe an vielen dieser Veranstaltungen teilgenommen und immer wieder bemerkt, daß der dort gezeigte Idealismus nichts, aber auch gar nichts mit der Alltagsrealität zu tun hat, und daß ich insgeheim immer dachte, ich könnte es selbst vielleicht sogar besser - man möge mir diese Anmaßung verzeihen.

Daher habe ich mich auch schlichtweg geweigert, die Testate dafür an die Schulleitung abzugeben, was mir erhebliche Schwierigkeiten eingebracht hat. Ich weiß, was ich kann, meine Schüler wissen es auch, und ich halte mich stets auf dem Laufenden der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, OHNE dazu aufgefordert zu werden. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit in meinem Beruf, und das Mißtrauen, was mir durch diese zusätzlichen (!) Verpflichtungen entgegengebracht wird, macht mich traurig und sogar zunehmend depressiv.

Mittlerweile funktioniere ich nur noch, tue das, was mir aufgetragen wird, mit immer weniger Begeisterung für die Schule aber ungebrochenem Elan für meine Schüler, und immer weniger Mut und  hoffe auf meine baldige Pensionierung. Ich hätte nie gedacht, daß mein Berufsleben einmal so enden wird..

Die Schulleitung wiederum gibt den Druck der Schulbehörde gnadenlos an das Kollegium weiter, immer aus Angst vor der nächsten Schulinspektion - eine Art Prüfungskommission, die für drei Tage an die Schule kommt und angeblich "objektiv" den Schulalltag beobachtet. Die Damen und Herren kommen ohne anzuklopfen mitten in der Stunde in den Raum, setzen sich wortlos auf einen vorbereiteten Stuhl (und wir sollen den Schülern Höflichkeit und Respekt vermitteln!), füllen irgendwelche Kriteriumslisten aus und verschwinden dann wieder. Diese Menschen, die nichts mit der Schule zu tun haben, maßen sich an, innerhalb ganz kurzer Zeit ein Urteil über die Arbeit an der Schule fällen zu können. Abschließend kommt ein großer Bericht an die Schule, in dem Verbesserungsvorschläge, Lob und Tadel verzeichnet sind - welche Überheblichkeit! Ich würde mich niemals für eine solche Aufgabe hergeben...

Und dafür wird eifrig an der "Schulentwicklung" gearbeitet, es werden Arbeitsgruppen gebildet, die sich damit beschäftigen sollen, wie man nach außen hin zeigen kann, wie aktiv und engagiert man für die Schule arbeitet, also alle die Themen, die vernünftigerweise eigentlich von der Schulbehörde geleistet werden sollten. Vielleicht bin ich da zu naiv, aber ich fand immer, daß Lehrer das tun sollten, wozu sie ausgebildet worden sind: unterrichten!

Ich bin unter ganz anderen Voraussetzungen Lehrer geworden,als sie sich heute entwickelt haben, und bin froh, mich  diesem Sklaventreiben demnächst entziehen zu können...

Unser Schulleiter - der im Laufe der Entwicklung zum Abteilungsleiter mutiert ist und diese Stellung offenbar in der Hinsicht verinnerlicht hat, daß er sich von diesem Zeitpunkt an als "Machthaber" und nicht mehr als Kollege mit etwas höherer Stellung gefühlt hat - hat zum Februar 2013 die Segel gestrichen und geht in Pension.

Was kommt, ist ungewiß. Es hat sich schon eine Dame beworben, die einige vernünftige Ideen hatte - wie z.B. daß sie keine "Verkündigungskonferenzen", sondern Konferenzen mit Diskussionen bevorzugt, auch hat sie das Gesamtkollegium angesprochen, ohne die Unterschiede, die Teilung, die die jetzige Schulleitung praktiziert... aber das Kollegium hat sie abgelehnt. 

Wie wohl täte es einer Schule, wenn sie von einem Schulleiter geführt wird, der mindestens 20 Jahre Berufserfahrung als Lehrer - in Vollzeit!!! -  und mindestens ein Kind hat, das bei ihm aufgewachsen ist - so einer würde genügend Erfahrung mit menschlicher Entwicklung haben, daß man ihm zutraut, eine Schule verantwortungsvoll leiten zu können. Aber genau diese Leute, die geeignet wären, würden sich wohl nicht unter den hamburger Bedingungen als Schulleiter hergeben, fürchte ich.

 

Und jetzt ist es passiert: ich bin zusammengesackt, ausgebrannt, um Jahre gealtert, das erste Mal besinnungslos geworden und bis zum Ende Januar 2013 arbeitsunfähig geschrieben worden. Wie es weitergeht, ist ungewiß. So seine berufliche Karriere zu beenden, die ein ganzes Leben bedeutet hat, ist irgendwie sehr traurig, finden Sie nicht?

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Jetzt ist es Mitte Mai, und ich bin immer noch arbeitsunfähig, meine Panikattacken und Schwindelanfälle haben zwar etwas nachgelassen, aber hin und wieder treten sie noch auf. Besonders dann, wenn ich daran denke, wie man von der Behörde behandelt wird. Mein Mann z.B. ist vor viereinhalb Jahren pensioniert worden und hat seine Entlassungsurkunde von der Behörde bis heute nicht erhalten. Das einzige, was er von der Schule auf der Entlassungsfeier bekommen hat, war eine nette Karte mit guten Wünschen für die Zukunft, unterschrieben nicht einmal vom Kollegium, sondern nur von der Schulleitung, und in der Karte steckten drei ziemlich abgegrabbelte 10-Euro-Scheine. Ich halte das schlichtweg für skandalös! Und mir hat mein Schulleiter - kurz vor meinem Zusammenbruch - ziemlich unwirsch und genervt gesagt: "Ach, Sie immer mit Ihrer Menschlichkeit!". Wo bitte sollte man mehr Menschlichkeit einfordern als an den Orten, wo man es mit Menschen zu tun hat??

In der Zwischenzeit habe ich unseren beiden Schulsekretärinnen, zu denen ich - wie ich dachte - ein sehr gutes Verhältnis hatte, je eine E-Mail geschrieben, habe aber keine Antwort darauf bekommen. So kann man sich in Menschen täuschen...

Ich warte jetzt ab, wie es sich mit meiner Gesundheit entwickelt, dabei hilft mir meine "Arbeit" als Wikinger sehr: man taucht in eine ganz andere Welt ab, fern vom Alltag, und man wird anerkannt, das tut gut!

--- Jetzt ist es schon Mitte September - jedes Mal, wenn ich zu meiner Neurologin gehe, um mich mit ihr zu beraten, wie es weitergehen soll, fragt sie mich, ob sich die Schulbehörde immer noch nicht gemeldet hätte, ihr Kommentar zu meinem Nein: "Was ist DAS denn für ein lausiger Arbeitgeber???".

Ich hänge fast ein ganzes Jahr lang in der Luft, kann keine Aktivitäten  entwickeln, weil ich immer noch denke, daß sich die Behörde endlich meldet und mich zu einem Gespräch bittet - allmählich habe ich die Hoffnung aufgegeben, der Schule überhaupt etwas wert gewesen zu sein...  Das ist bitter nach einem - wie ich glaubte - erfolgreichem Lehrerdasein! Auch die Kollegen, von denen ich glaubte, in ihnen Freunde gefunden zu haben, haben sich nicht gemeldet, kein einziger von ihnen!---

Und jetzt haben wir 2014, fast schon 2015, und es ist inzwischen viel passiert: Die Schule hat einen neuen Schulleiter, der mir meine Urkunde überreicht hat - die Urkunde der Entlassung aus dem Schuldienst mit Dank der Schulbehörde für meinen Einsatz (ich habe es tatsächlich geschafft, mich bis zum regulären Arbeitsende nach dem 65. Geburtstag und darüberhinaus noch das halbe Pflichtjahr zu überstehen), die Kollegen haben sich immer noch nicht gemeldet - aber das ist mir mittlerweile auch ziemlich egal - , der stellvertretende Schulleiter hat sich, wie ich aus sicherer Quelle weiß, in seinem Verhalten der neuen Schulleitung angepaßt und sein Mäntelchen nach dem Wind gehängt, sein Verhalten wohl geändert, aber ich bin FREI! Frei von all dem Druck und Irrsinn der Behörde mit Inklusion, Überwachung und undurchdachten Schnellschüssen bezüglich Pädagogik und Lehrer-an-die-Leine-nehmen.

Darüber bin ich einfach nur froh, und ich beginne langsam, mich zu erholen. Für mich ist das Kapitel Schule jetzt abgeschlossen, und ich widme mich nur noch meinen eigenen Interessen. Eigentlich sollte ich mal ein Buch über diesen Irrsinn schreiben, vielleicht tu ich das auch noch, aber im Moment möchte ich nur meine Freiheit genießen und nicht mehr an all das denken, was mich wirklich krank gemacht hat.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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